Ein Rückblick auf die alte (vorherige) Website  und auf die "alte Zeit", die  als Inspitrationsquelle diente. (HT)

Ein Beitrag über  Bandentwicklungen im Altkreis Dinslaken.  (Klaus Schlichte)

(diese Seite)

Eine Erinnerung an unser Jugendheim in den Siebziger Jahren (1974/75) in Götterswickerhamm (HT)




Bandentwicklungen im

alten Kreis Dinslaken

von Klaus Schlichte

 

Mit dem Auftauchen der "Beatles" ab 1960 wurde auch in Deutschland eine Entwicklung eingeleitet, die für die Generation der damals 10 bis 20 jährigen ein völlig neues Lebensgefühl mit sich brachte. Nicht nur die Beatmusik als lautstarker Ausdruck dieser Gefühle, sondern auch die Veränderung der Frisuren, in der Mode, im Auftreten der jungen Leute und in vielen anderen Bereichen zeigte den deutlichen Wandel gegenüber dem Verhalten der älteren Generation.

In Deutschland kamen viele Wellen, die sich über die Musik hinaus besonders in England und Amerika entwickelten (z.B. Flower Power), erst mit Verzögerung an oder wurden nur in abgeschwächter Form übernommen.

Die musikbegeisterte Jugend blickte ab 1968 gebannt auf die neuen, vorwiegend englischen Idole, die in schneller Folge wie Sterne am Beathimmel aufgingen. [Rolling Stones, Animals, Yardbirds] Ab 1965 traten mehr und mehr amerikanische Gruppen in den Vordergrund(Beach Boys, Byrds, The Doors, Jimi Hendrix, Creedenoe Clearwater Revival), aus dem Beat wurde die Rock Musik.

Bei uns in Deutschland wurden auch viele Bands gegründet, die zunächst nur die großen Vorbilder imitierten (Lords, Rattles), wobei allerdings die Musikszene weniger professionell organisiert war, als in England und USA, so dass die deutschen Bands große Probleme zu überwinden hatten, wenn es um die Suche nach einem geeigneten Proberaum ging, oder um Management oder Auftrittsmöglichkeiten.

Viele Veranstalter scheuten zunächst das Risiko, weil Beat- und Rockmusik als agressiv und laut eingestuft wurde und die Fans sich oft bei Konzerten und Veranstaltungen undiszipliniert verhielten.

Die Entwicklung der Bands in Dinslaken
In Dinslaken war die Entwicklung der Beat- und Rockmusik typisch für die damalige Zeit. Erst Mitte der 60er Jahre formierten sich die ersten Beatgruppen, die auch in der Lage waren, das Publikum bei kleineren Veranstaltungen zu unterhalten. Die größeren Veranstaltungen in Dinslaken fanden damals im Saal "Hackfort" statt, wobei bekannte englische Gruppen wie z.B. "Casey Jones and the Governers" oder "Gaslight Union", aber auch deutsche Gruppen, wie die "Rackets" auftraten. Die örtlichen Bands konnten damals ev. als Vorgruppe oder "Anheizer" mitspielen, bevor die Profis mit viel 'besseren Instrumenten und Anlagen loslegten.

Aber langsam profilierten sich auch Gruppen aus der Umgebung wie die "Condors", die "Newcomers" die "Rolling Ghosts", die "Dangers" und andere, so dass sich nach und nach eine lokale Beatszene entwickelte.

1968 fand im damaligen Wall-Kaufhaus der erste Wettbewerb der Dinslakener Beatbands statt, den die "2nd Ghosts" überlegen gewannen. Es kamen sehr viele Wettbewerbe für Nachhwuchsbands, wie z.B. "Beat Meisterschaften" bei denen praktisch keine Gage gezahlt wurde. Zu gewinnen gab es geringe Sach- oder Geldpreise und den Hinweis auf mögliche Plattenverträge oder Studioaufenthalte. Hierbei sahnten die Veranstalter kräftig ab; den Bands nutzten diese Veranstaltungen jedoch wenig.

Ende der "60er Jahre" gab es in Dinslaken eine Vielzahl von Bands. Die meisten bestanden nur kurze Zeit oder es gab zahlreiche Wechsel der Bandmitglieder. Jeder war auf der Suche nach einer für ihn optimalen Band; die musikalische Richtung musste stimmen, aber auch die Bedingungen (Probenzeiten, Auftrittsmöglichkeiten, Verhältnis der Mitglieder untereinander).

Von "Die Anderen" zu "Dirty Hands"

Hans Klimek (Jahrgang 50) machte seine ersten Erfahrungen mit 15 als Gitarrist in einer Skiffle - Gruppe. Danach wechselte er zur Beatmusik und traf schon bald Hubert Koch der Bass und Gitarre zupfte. Zusammen waren sie Mitglieder verschiedener Bands wie "die Anderen" oder "les autres". 1969 wurde die Band "Love and Partly Circled Living" kurz LAPCL, gegründet. 6 Mann spielten und sangen u.a. Titel der Beatles, Beach Boys und Tremeloes. Hier agierte Armin Burkardt (Knifty) als Sänger. Ab April 71, nach verschiedenen Umbesetzungen (Jochen Vanscheidt an der Orgel und Klaus Schlichte Schlagzeug, beide von der Beatband "The Old Off Time") wurde LAPCL in den etwas einprägsameren Namen "Dirty Hands" umgewandelt. Das Repertoire bestand aus ca. 60- 80 Titeln, meist aus der aktuellen Hitparade oder aus den frühen Jahren von Rolling Stones, Spencer Davis oder Jimi Hendrix.

Die \/erstärkeranlage der Band war schon recht gut, dazu eine kleine Gesangsanlage mit Hallgerät. Die lnstrumente waren Fender Gitarren, Premier-Schlagzeug, Lind Hohner-orgel. Mit Josef (Pepi) Wachter, der die Gruppe bald wieder verließ und Michael Fries (Mike) wurden zwei Solosänger in die Band aufgenommen, durch die Titel von "Hollies", "Bee Gees" aber auch härtere Nummern das Repertoire ergänzten. Ca. l0—15 Auftritte pro Jahr wurden absolviert, u.a. in der Dinslakener Strafvollzugsanstalt, in der Mercatorhalle und beim Ranger Kongress in Dortmund.

 

In dieser Phase wurde bereits erkennbar, daß die musikalische Entwicklung der einzelnen Gruppenmitglieder in verschiedene Richtungen verlief. Als Einflüsse waren neben Beat und Rock, die wohl allen gemeinsam waren, die Country - und Western Musik, Folklore, Lieder mit deutschem Text sowie Jazz und Soul erkennbar. Die Konsequenz war, dass die Band sich bemühte einen Stil zu entwickeln, der allen Einflüssen Raum für musikalische Entfaltung lies.
Im Februar 1971 fand in der Aula des Mädchengymnasiums in Dinslaken das erste Konzert der "Dirty Hands" statt. Das Programm bestand zur Hälfte aus nachgespielten 'Stücken (Hendrix, Cream, Deep Purple). Im zweiten Teilwurde eine Eigenkomposition mit englischem Text, bestehend aus vierunterschiedlichen Sätzen vorgestellt. "Kantate in E" nannte sich das Programm, welches noch recht unterschiedliche Resonanz bei Presse und Publikum hinterließ.
Für Mike Fries kam Wolfgang Kulawik, ein zusätzlicher Solo- und Rhythmus - Gitarrist mit Gesang, der der Band mehr musikalische Akzente gab. Das Repertoire erweiterte sich jetzt um Stücke von Bands wie "Ten Years After", "Rory Gallagher" und "Brainbox". Gleichzeitig wurde intensiv an eigenen Kompositionen weitergearbeitet. Die Stilrichtung wurde als Jazzrock bezeichnet.

 

Es wurde ein Bandbus (ausrangierter Mercedes-Bus der Post) gekauft und es gab zahlreiche Auftritte in Dinslaken sowie den Nachbarstädten Walsum, Duisburg, Gladbeck usw.
lm Februar 72 folgte ein weiteres Konzert mit Eigenkompositionen im
Mädchengymnasium in Dinslaken. Hier wurden neue Eigenkompositionen wie "India" oder "Evil" mit zum Teil sozialkritischen englischen Texten geboten. Der Eintritt betrug damals für Erwachsene 4 DM, für Schüler 2 DM. Die Mischung aus Rock, Blues und Jazzelementen kam beim Publikum gut an. In diesem Jahr folgten viele kleinere Auftritte, vor allem in Jugendheimen und
kleineren Sälen, bei denen das Repertoire aus nachgespielten und eigenen Stücken gemischt wurde. In einem Tonstudio in Düsseldorf wurden erste Demobänder aufgenommen.
lm September 19? erreichte die Band beim DAB-Festival in Dortmund in der Endaussscheidung einen mit 1500 DM dotierten 4. Platz von über 120 beteiligten Bands aus ganz Deutschland.

 

Pressestimmen :
Besonders charakteristisch für ihren Sound ist der Einsatz zweier
Sologitarren, die durch synchrones und auch verschobenes Lagenspiel zur Lebendigkeit und Plastizität der Musik beitragen. Der Wille zur Originalität steht im Vordergrund. Die "Dirty Hands" begeisterten mit ihren Eigenkompositionen.

Panta Rhei
Mike Fries verstärkte die Gruppe wieder als Solosänger und als neuer Bandname wurde der aus dem Griechischen stammende Begriff "Panta Rhei", zu deutsch "Alles fließt" gewählt. Der Begriff sollte als Hinweis auf die Musik verstanden werden, die aus plastischen Themen aufgebaut war und wie ein Strom von akustischen Eindrücken, dem Wasser gleich, ineinander überlief . lm Rahmen der 700-Jahrfeier der Stadt Dinslaken wurde das dritte Solokonzert unter dem neuen Namen "Panta Rhei" im Mädchengymnasium vor etwa 700 Zuhörern durchgeführht. 1974 folgten zahlreiche Auftritte in ganz Nord-Rhein-Westfalen z.B. im Jugendzentrum Oberhausen und im Wedau Stadion in Duisburg.

Projektgruppe "Songabend"
Ab Mai 1974 wurde parallel zu den Bandaktivtäten zusammen mit Fritz Schepers und Ludwig Güildenberg an einem Songabendprogramm mit kritischen deutschen Texten gearbeitet. Unter dem Titel "Oh, wie is' mir schlecht" wurde es im Dezember 74 im Ernst-Barlach-Gymasium in Dinslaken vorgestellt. Mil Themen wie Hunger, Unterdrückung und Geld regiert die Welt wurde versucht, die Zuhörer zum Mit - und Nachdenken anzuregen. Die Veranstaltung war ursprünglich als Eintagsfliege geplant. Nach dem Erfolg dieser Veranstaltung wurde die Songabendgruppe noch erweitert, um sowohl die musikalische Gestaltung vielfältiger zu organisieren (Einsatz von Bläsern, ein weiteres Schlagzeug als auch die Darstellung der Themen durch optische Elemente (Kurzfilme, Dias) und durch Spielszenen und mehr Gesang noch plastischer und abwechslungsreicher gestalten zu können. Mike Fries nahm sein Studium in Heidelberg auf und verließ die Gruppe. Im Mai und im Juni 1975 wurde das zweite Programm unter dem Motto "Musik vom Dachboden" an der GH Duisburg und an der Uni Bochum vor 700-1000 Zuhörern aufgeführt. Panta Rhei hatte 75 außerdem noch etwa 19 Auftritte in Jugendheimen und kleineren Städten.

Bis 1976 war die freie Projektgruppe "Songabend." bis auf 22 Mitwirkende angewachsen. Beteiligt waren der Workshop des Gynmasiums Friedrichsfeld, "Panta Phei", als Solointerpreten Gabi Schepers, Beate Loß, Rainer Turnau und Theo Güldenberg. An der Technik arbeiteten 4 Mann (Filmvorführer, PA-Anlage , Lichtanlage ). Der neue Titel "Halt die Schnauze und Schluck" wurde im Februar im Städtischen Bühnenhaus Wesel, im März in der Stadthalle in Kleve, sowie im Revierpark Vonderort und in kleinerer Besetzung im Jugendheim Dortmund-Derne und auf dem lnfomarkt in Oberhausen vorgestellt.

 

Da der Aufwand für das Songabendprogramm sehr groß war und das Interesse der Mitglieder langsam abnahm, ging die Projektgruppe "Songabend" 1977 auseinander.

Hubert Koch verließ Panta Rhei, um in Berlin sein Studium aufzunehmen. Als neuer Bassmann wurde Rainer Schulz in die Band aufgenommen.

"Panta Rhei" machte noch einige Auftritte u.a. mit "Sweet Noise" und "Phrydderichs Phaelda" im Gynmasium Voerde und der Stadthalle in Dinslaken. 1978 gab es noch einige Termine von Panta Rhei aber die Abstimmung zu gemeinsamen Proben wurden immer schwieriger, da kein geeigneter Probenraum mehr vorhanden war und andererseits die Mitglieder durch Studium, Beruf und Familie sehr viele andere Verpflichtungen hatten


So löste sich die Band nach etwa 18 Jahren 1979 auf und die Mitglieder von "Panta Rhei" trafen sich erst 1987 wieder, um bei einem Polterabend mal wieder gemeinsam Musik aus den "Wilden 60er Jahren" zu machen.

Im September 88 traf man sich, um in der Gaststätte "Holtbrügge" am Dinslakener Altmarkt zusammen mit Peter Barth erneut für einen Abend die alten Zeiten aufleben zu lassen. Da der im "G1aspalast" zusammen mit den "2nd Ghoasts" geplante Auftritt vorläufig nicht stattfinden kann, wollen "Panta Rhei" zusammen mit "Knifty" und Peter Barth bei "Holtbrügge" noch einmal zeigen, dass Beat - und Rockmusik immer noch Freude machen und sie möchten sich beim Publikum von damals und von heute für die Treue und Unterstützung bedanken.


Mühlheim / Ruhr, den 16.98.89
Klaus Schlichte


P5. Uber Anmerkungen und Verbesserungsvorschlägen zu dieser kleinen Dokumentation würde ich mich freuen.





Foto: Rolf Nißen [alter Bahnhof Möllen]
Foto: Rolf Nißen [alter Bahnhof Möllen]
Foto zur Verfügung gestellt von Peter Bergmann [Beckedahls Hof, Möllen]
Foto zur Verfügung gestellt von Peter Bergmann [Beckedahls Hof, Möllen]

Foto: Manni Raab [Pop Shop, Wesel]
Foto: Manni Raab [Pop Shop, Wesel]
Foto: Manni Raab [Schwarzer Adler, Rheinberg]
Foto: Manni Raab [Schwarzer Adler, Rheinberg]
Foto: HTmusic [Gaststätte Kretschmer, Friedrichsfeld]
Foto: HTmusic [Gaststätte Kretschmer, Friedrichsfeld]
Foto: HTmusic [De alde School, Löhnen]
Foto: HTmusic [De alde School, Löhnen]
Foto: Privat [Quo Vadis (Anno), Wesel]
Foto: Privat [Quo Vadis (Anno), Wesel]